Hintergrund: Henrik Ibsen

Der Vater hieß Knud. Über die Mutter weiß man, wie so oft, sehr wenig, auch ich konnte nur marginale Fakten über ihre Herkunft sammeln. Eins ist dennoch klar, Sie entstammte aus einer der vornehmsten Familien Skiens, die Hauptstadt von Telemark, eine Provinz in Norwegen. Und obwohl Knud Ibsen ein reicher Kaufmann war, hatte er im Gegensatz zu den heutigen Schwaben hier im Ländle keine Lust, tugendhaft ein sparsames Leben zu führen. Im Jahre 1836, acht Jahre nach der Geburt des nun bekannten Dramatiker und Lyriker Henrik Ibsen, schlug der Vater Konkurs. Die Zahlungen waren so enorm, dass die Familie Ibsen alles Hab und Gut veräußern und auf einen kleines bescheidendes Landgut wechseln mussten. Damals wie heute kann so ein krasser örtlicher und sozialer Wechsel, seine Spuren hinterlassen. Bei der Familie Ibsen trat der Schaden in Form eines gesteigerten Alkoholkonsums des Vaters und der zunehmenden Depression des Jungen Ibsen, aus.

Spulen wir mal etwas in der Zeit vor.
Um seine Chance auf ein Medizinstudium zu steigern, begann er mit 16 Jahren eine Lehre als Apothekenangestellter in Grimstad. Die Jahre 1848 folgten und die politische Situation in Frankreich ließ sich nicht mehr ignorieren. Zur Erinnerung, die bürgerlich-demokratische Februarrevolution beendete die Herrschaft des Königs Louis-Philippe I. und führte zur zweiten Französischen Republik. Ibsen selbst ein brennender und satirisch unvergleichlicher Kämpfer für eine liberale und demokratische Gesellschaft und rüttelte zu jener Zeit mit Gedichten und Werken wie Catilina an der verstaubten norwegischen Gesellschaft und Regierung.

Schluss mit dem biographischen Palaver! Weiter geht’s!
IbsenWas steckt hinter diesem Genie, der vermutlich an zweiter Stelle in der Liste der meist gespielten Theaterstücke steht? ( Auf Platz eins natürlich der Herr Shakespeare).
Richten wir unseren Blick auf das womöglich populärste Stück Ibsens. Peer Gynt.
Vorab, zunächst war es nicht Ibsen Plan gewesen ein Bühnenstück aus Peer Gynt zu zaubern. Ein gewaltiges Versdrama mit unglaublicher Rhythmik und mit kritischer Würze zeigt die Hauptperson im Werk als aufbrausenden Selbstüberschätzer, innerlich hohl und keineswegs ein typischer Held, sondern eine rücksichtslose Fratze. Damit gibt Ibsen den Lesern und sich selbst genug Spielraum, sich auf ironische Art über die damalige norwegische Nationalromantik lustig zu machen. Die Vorlage, das Feenmärchen von Peter Christen Asbjørnsen, wurde derart verzerrt, das sich diese Abrechnung auch gut auf die norwegische Gesellschaftsrealität über tragen lässt.
„Schattenreich ist das Werk, aber wo Schatten ist, gibt es auch Licht.“
„Das steht doch nicht bei einem selber, wen man lieb gewinnen soll.“ – Henrik Ibsen
Genau dieser menschliche Lebenszug, widerfährt der Gestalt Solveigs, die Dame im Drama. Ihm zuerst ablehnend gegenüberstehend, verliebt sich die junge Dame doch in den zwielichtigen Protagonisten Peer Gynt. Sie personifiziert die Humanität, die in diesem schamlosen Stück trotz aller Grotesken auftaucht. Und ohne sie würde das Ende, das ich nicht spoilern werde, keinen Sinn ergeben.
Das Interessante, Ibsen beschränkt sich in dem Werk Peer Gynt nicht auf die Dimension der akuten Gesellschaftskritik. Als einen farbenprächtigen Chronisten könnte man ihn titulieren, da er viel weiter geht und mehr aufdeckt als man zunächst im Kopfe hat. Wir haben es hier nicht nur auf künstlerischer Basis mit einer Abrechnung mit der Gesellschaft zu tun, sondern ausländische Leser bekommen auch von Umwelt und Natur, aufgezeigt in der Herkunft Gynts, ein Bild vermittelt.
Nur in der Nachzeichnung des ‚Auslands‘ schludert Henrik. Ein verallgemeinertes Bild entsteht, als die Handlung im vierten Akt ins Ausland verlegt wird. Es werden Stereotypische Gegebenheiten stark polarisiert, wobei diese ausgeschmückten Erzählstränge gewiss ihre Berechtigung hatten.

Die Abrechnung Ibsens mit Norwegen findet seine Vollendung mit der Abrechnung weiterer damals führenden Nationen des 19 Jhd. statt. Engländer, die nur nach Gewinn und Bodenschätzen skrupellose Ausbeutung betreiben. Der Franzose, der sich sich dem Genuss widmet, daneben ein aggressiver Preuße und so weiter und so fort. Alles in allem ein warnender Zeigefinger auf die skrupellose Jagd nach mehr Profit und der allgemeinen Feigheit sich nicht zur Wehr gegen eine herrschende Klasse zu stellen.
In Henrik Ibsen lodert der Zorn auf gegen die verkrusteten Gesellschaftsgebäude in seiner Heimat. Dieser Zorn diente ihm als tragende Motivation, tief psychologische und ausgeklügelte Werke zu schaffen. Raffiniert setz er Sprache mit Inhalt zusammen und kann heute noch begeistern. Im Exil lebend, konnte er seine Sprache zum Medium einer vielschichtigen Kritik an weitgehende Probleme nutzen und ausreifen.

Alles in allem kann dieser kleine Beitrag zu Ibsen keinerlei konkrete Bilder des spannenden Dramatikers aufzeichne. Aber so hofft der Beitrag hier, doch Anreize zum Lesen und vertiefen zu schaffen.

Wohl wahr, – Geschichte ist nicht meine Stärke –
Und sinnverwirrend ihr innres Gewerke! –
Doch, pah! Je toller der Ausgangssatz ist,
Um so seltener oft der gefundene Schatz ist. – — Peer Gynt (4. Akt)

Text: Hannah Prendecky
Bilder: Wikipedia