„So können Deutsche nicht morden.“

Polizei und Verfassungsschutz benötigten elf Jahre um die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) aufzuklären. Im Zuge der Ermittlungen kam es immer wieder zu Fehlern und Vertuschungen. Im Theaterhaus Stuttgart spielt nun „Auch Deutsche unter den Opfern“ – ein Stück, das diese Ereignisse künstlerisch verarbeiten will.

Auch Deutsche kleiner 2Operation Konfetti. Schummriges Licht, im Hintergrund hängt der Bundesadler und auf der Bühne häufen sich geschredderte Akten. Akten von V-Männern, die im Zusammenhang mit dem NSU aktiv waren. Jemand wollte nicht, dass diese Akten den Untersuchungsausschüssen und dem Strafprozess zur Verfügung stehen. Gezielte Sabotage.
Die Szene steht für das ganze Stück. Die vier Schauspieler stellen in wechselnden Rollen dar, wo im Zuge der Ermittlungen die Behörden versagt haben. Viel zu spät vermutete man einen rechten Hintergrund der Taten. Stattdessen wurden getreu der Vorurteile Mafia, Ehrenmorde und die Angehörigen der Opfer verdächtigt. Ermittler, die auf dem rechten Auge blind sind. Warum? Laut Stück, weil gerade in Polizei und Verfassungsschutz rechte Tendenzen verbreitet sind. Man sieht nichts, weil man nichts sehen will.

Auch Deutsche kleiner 3So zum Beispiel als das vierköpfige Ermittlerteam die Mordserie noch einmal durchgeht, nach und nach die Ordner schließt und zu Boden legt. Für den Chefermittler ist trotz Ungereimtheiten sofort klar: Das waren kriminelle ausländische Organisationen. „Zu brutal. Das können keine Deutschen gewesen sein.“ Bis 2009 galt die Einzeltätertheorie. Eine organisierte rechte Terrororganisation würde für Hysterie unter den Türken sorgen, rechtfertigt er sich.

Als dann die sogenannten Einzelfälle rechter Gewalt aufgezählt werden, muss der Zuschauer schlucken. Bequemerweise liefern die Schauspieler gleich Verdrängungsmechanismen dazu. Das sind „Chaoten“, „Spinner“, „rassistischer Gewalttäter, wie es sie in jedem europäischen Land gibt“ und es gebe ja „auch Deutsche unter den Opfern“.

Auch Deutsche kleiner 4Zum Schluss folgt die Moral des Stücks in Form einer Rede. Diese bezieht sich über die Thematik rechter Gewalt hinaus auf die aktuelle Flüchtlingssituation. Leider ist das das einzige Mal, dass auch die Frage nach einer gesellschaftlichen Verantwortung aufgeworfen wird. Auch wenn das Stück die rechten Tendenzen in den Behörden gut aufarbeitet, ist die Situation für das Publikum komfortabel. Man kann sich zurücklehnen, die Schuldigen sind die Ermittler bei Polizei und Verfassungsschutz.

Text: Rosalie Schneegaß und Niklas Becker
Bilder: Simon Wachter