„Ihr seid doch zum ficken zu blöd“

Die offensive Isa begegnet ihren neuen Freunden nicht gerade mit Freundlichkeit. Auch nach zehn Jahren begrüßt sie Maik mit den Worten „Hallo Schwachkopf“. Zwischen zwei Betonwänden auf einen Hügel an einem See hier wollten sich Isa (Ema Staicut), Maik (Aaron Keleta) und Tschick (Yavuz Köruglu) wieder treffen. Doch einer fehlt. „Ihr wart sicher immer schon ein Traumpaar“, wirft Isa ein. „Nein…“, entgegnet Maik und beginnt die Geschichte von Tschick zu erzählen.

Tschick_kleiner5„Ich konnte ihn nicht leiden, niemand konnte ihn leiden“, erzählt Maik. Dann betritt Tschick, sichtlich angetrunken, die Bühne und stellt sich als neuen Klassenkameraden von Maik vor. Besser gesagt lässt er sich vorstellen denn selber will er nicht von sich sprechen. Er will nichts davon hören wie „ungewöhnlich und bewundernswert“ sein Werdegang von der Förderschule auf die Realschule zum Gymnasium ist. Maik dagegen ist in einem bürgerlichen Haus aufgewachsen kämpft aber mit seinen eigenen Problemen als Jugendlicher mit einer alkoholkranken Mutter. Tschicks Familie kommt aus der Walachei wie er sagt. Egal wie oft Maik ihm versucht zu erklären das dies kein Ort sei. Doch genau dahin machen sie sich gemeinsam auf den Weg, in die Walachei.

Der Coming – of – Age Roman von Wolfgang Herrndorf erzählt eine Geschichte von zwei Jugendlichen, die ausbrechen, in ein Abenteuer – weg von allen. „Ich wollte einmal nicht langweilig sein“ begründet Maik seine Entscheidung für die Reise. Die Bühnenfassung von Robert Koall wurde am Theaterhaus Stuttgart vom Regisseur Nils Daniel Finckh inszeniert.

Tschick_kleiner2Multimediales Erzählen

In einem Minimalistischen Bühnenbild bewegen sich die drei Schauspieler_innen und lassen die Fantasie lebendig werden. Eine Babywanne wird zum See, das geklaute Auto mit Kreide an die Wand gemalt und weitere Personen als Filme an die Wand gescreent. Die kahlen Betonwände werden plötzlich zu Leinwänden und lassen Maiks Eltern zum Teil der Geschichte werden.

Maik, Tschick und Isa gelingt es die verwobene Story mit vielen Rückblenden durch szenisches Mitteln logisch zu machen. Isa lehnt sich immer in eine bestimmte Weise an die Wand, wenn sie einfach nur zuhört und nicht teil des Geschehens ist. Manchmal ist es trotzdem schwer zu folgen was Gegenwart und was Erzählung ist.

Tschick_kleiner4Auf der Reise geht ihnen das Benzin aus und dann treffen sie auf Isa. Die beschimpft die beiden: „Ihr seit doch echt zum ficken zu blöd!“. Dann hilft sie an Benzin zu kommen, damit die Reise weitergehen kann.

.„Wo geht’s hin?“, fragt sie Maik. „Nach Hause“, antwortet dieser. „Nach Hause? Das ist genau meine Richtung!“, frohlockt Isa und springt mit in den Wagen.

Interpretationsspielraum für die Zuschauer

Die Geschichte steuert steil auf ihren Höhepunkt zu und dann geht es plötzlich sehr schnell. Maik weist Isas Annäherung zurück. Im nächsten Moment sitzen die drei aber als beste Freunde nebeneinander und versprechen sich in zehn Jahren an den gleichen Punkt zurückzukehren. „Ich finde es wunderbar mit euch jetzt hier zu sein. Ich weiß nicht wie lange das so sein wird. Ich weiß ja nicht wie lange es noch MySpace gibt aber wir treffen uns hier wieder, egal wo man ist…“, fordert Maik. Isa verschwindet schnell wieder aus dem Stück, was es schwierig macht die Beziehung zwischen den beiden nachzuvollziehen. Ihre Figur bleibt das ganze Stück über ein Rätsel. Es bleiben Fragen offen, die den Zuschauern einen Interpretationspielraum bieten.

Tschick_kleiner1Was der Beziehung zwischen Isa und Maik fehlt holt dafür die Erzählung von den weiteren Abenteuern von Tschick und Maik nach. „Das ist besser als fernsehen“, meint Tschick, „obwohl Fernsehen ist auch geil“, setzt er nach. Auf den Boden liegend schauen die beiden Jungs in die Sterne und philosophieren über außerirdische Insekten, die nur sie beiden sehen können. Zehn Jahre später am Treffpunkt wartet Maik auf seinen Freund den er so liebgewonnen hat.

Zum Schluss gibt es noch eine letzten Ratschlag von Maiks Mutter „ Es ist alles egal, alles ist egal. Das einzige was nicht egal ist ist, „Bist du damit glücklich?“

Text: Meike Krauß
Bilder: Regina Brocke