zeit zu lieben zeit zu sterben

Leben ist das was passiert – „zeit zu lieben zeit zu sterben“ von Fritz Kater trägt nach außen, was das Leben ausmacht. Schauspiel und Livemusik auf einer Bühne, im Schauspielhaus Stuttgart.

Der Lauf des Lebens ist schnell erklärt: Geburt, Leben, Tod. Leben ist aber nicht gleich Leben, leben nicht gleich leben. Der Rahmen ist gesetzt, doch es liegt an dem Einzelnen, ihn mit Leben zu füllen, lebenswert zu machen. Letztendlich sind doch alle Erfahrungen auf den gleichen Nenner zu bringen, einer ähnlichen Phase zuzuordnen. Die Kindertage, aus denen bald Jugendtage werden, aus denen bald „auf meine alten Tage“ werden. Erste Erfahrungen sammeln, aus Erfahrungen lernen und irgendwann abgebrüht sein.

Schlagworte wie diese behandelt „zeit zu lieben zeit zu sterben“ in einer Art gedanklichem Spaziergang: In drei voneinander gelösten Sequenzen, die phasenspezifische Erlebnisse „verspielen“; Suff und Sex, Knastgeschichten, Trennung – auch mal im Zickzack. Nicht immer ist alles zu erklären. Was das Mädchen im Wollpulli auf der Leiter macht zum Beispiel. Muss es auch nicht, schließlich steht uns unser Leben nicht immer Rede und Antwort. Da ist es wieder, das Leben, das eben passiert.

Wo etwas in Bewegung ist, passiert selbstverständlich auch Veränderung. So bleiben manche von Beginn an bei schwarzweißer Kleidung, andere tragen später lieber Farben, manche am liebsten nur noch schwarz, Dirk zum Beispiel, äußerlich wie innerlich. Der eine sieht das Leben rosig, der andere sehnt sich schon lange ins Schwarz. Die anfängliche Neugierde derer, die die Welt noch entdecken wollen, währt beim einen länger, beim anderen weniger lang.

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Konzertatmosphäre kommt auf, wenn die von Regisseur Antú Romero Nunes mit glücklichem Händchen ausgewählte Liveband rockige Töne anstimmt, das Publikum dazu anhält mit zu klatschen und zu singen und die ersten Reihen in den Genuss eines Biers kommen, persönlich überreicht von Schauspielern aus dem Ensemble. Mit Lisa Marie Neumann als Frontsängerin setzt das Musikensemble in den passenden Momenten ein, sorgt mal für gute-Laune-Mucke, bei den ersten Partys mit dem ersten Bier, mal für gehauchte Melodien, die einen wehmütigen Schleier auf vergangene Zeiten legen, niemals aber aus der Zeit gefallen. Mit unzähligen Scheinwerfern, die die Konzertbühne einrahmen und warmes Licht verstrahlen, vollzieht sich ein Lichtspektakel mit Retro-Feeling. Schade, dass sich nur wenige aus dem Publikum dazu hinreißen lassen, als Konzertgänger zu agieren.

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 Was in den Handlungsstrang geschickt eingeflochten ist, ist ein Blick in die deutsche Geschichte: Es dreht sich um die Zeit vor dem Mauerfall, im Osten bewegen sich die Figuren in ihrer Jugend, über die „Wessis“ wird hergezogen. Bühnendeutsch und ostdeutscher Dialekt hält sich angenehm die Waage, wegbereitend für zielgenaue Pointen. Pointen dieser Art gibt es viele, besonders Peter Jordan versteht es, den exakten Zeitpunkt abzupassen um Tempo aus seinem rasanten Spiel zu nehmen und kräftige Aussagen zu machen.

Das „zeit zu lieben zeit zu sterben“-Ensemble agiert energiegeladen, eine Truppe, die sich Zeilen besonders in der Eingangsszene gekonnt passt, Tore punktgenau erzielt und wohlverdient einen jubelnden Saal hinterlässt.

Text: Leah Wewoda

Bildrechte: Bettina Stöß