Krabat – Furiose Figuren beleben maliziöses Mühlenspiel

Ein Theaterabenteuer mit Puppen, Masken und Musik

Fitz! – Zentrum für Figurentheater, Stuttgart

11. November 2016

Das ohrenbetäubende Kreischen der Toten gleich des siebten Mahlgangs der Mühle am Schwarzen Wasser. Massenhaftes Sterben im Dunst der Dämmerung. Ausgezehrte invalide Heimkehrer, die nie wieder vergessen können. Ein Massengrab. Es sind jene Knochen, die für den Gevatter zu Mehl verarbeitet werden sollen, sodass sich der Staub der Verstorbenen verflüchtigt.

Mit diesen assoziativen Kriegsbildern beginnt das Figurentheater „Krabat“ nach Otfried Preußlers gleichnamigen Roman und erzählt in seiner eigenen Fassung die Vorgeschichte des vierzehnjährigen Waisenjungen. Preußler, der von jener sorbischen Sagengestalt instigiert wurde, verarbeitet zweifelsohne auch seine eigenen Kriegsleiden im Zweiten Weltkrieg in seinem epischen Werk.

Nun ist dieser Roman literarischer Ausgangspunkt für die projektbezogene künstlerische Zusammenarbeit zwischen dem Leipziger Figurentheater Wilde & Vogel und der Grupa Coincidentia aus Polen und diese ist durchaus fruchtbar. Im Traum spricht der charismatische Meister zu Krabat und lockt ihn auf die Mühle im Koselbruch. Die Offerte des Müllschers, der ihm Obdach und eine Beschäftigung als Müllerbursche verspricht, kann der junge Hauptprotagonist nicht abschlagen und willigt glücklich ein. Doch nach und nach muss er erkennen, dass es sich bei der Mühle um eine Schwarze Schule handelt und er ein Teil des maliziösen Spiels des Meisters ist, der mit dem Gevatter paktiert. Einzig die Kraft der Liebe kann ihn und seine Genossen aus den tödlichen Fängen und den scheinbar desperaten Verstrickungen befreien.

Regisseurin Christiane Zanger setzt in ihrer bearbeiteten Textfassung überwiegend auf die Sprache der Bilder. Fokussiert wird nicht das gesprochene Wort sondern die symbolische Aussagekraft. Dies verlangt dem gesamten Ensemble eine äußerst körperlich-gestische und mimetische Präsenz ab. Durch die Reduzierung der Sprache als gesprochenes Wort, gehen zwar einige bedeutende Handlungsstränge unter- und wer hier die Romanvorlage nicht kennt, hat es schwerer – doch im Theaterfoyer werden diese fehlenden epischen Elemente durch Grafikcollagen (Martin Raubenheimer) und dazugehörige Buchzitate ergänzend ausgestellt. Das Spiel mit den Puppen, Masken und Kostümen auf der schlichten Bühne (Michael Vogel) illusioniert die Spektatoren. Mit einfachen Mitteln gelingen magische Zauberhandlungen und figurenbezogene Metamorphosen. Die normale usuelle Plastiktüte, die wie ein Traum, wie Hormone oder wie „das magische Aussichtreten“ zart und feenhaft durch die Lüfte schwebt und hin zum Herzen der Kantorka gelangt. Das mechanischmenschliche agieren der Mühle in einer Einpersonen-Darstellung. Der Gevatter als knochige Kreatur, ein stählernes Eisenstangenkonstrukt, kalt und hart aber durchaus gelungen grotesk und komisch. Der Meister überzeugt mit stolzer körperlicher Präsenz, ist aber zuweilen zu komikhaft und übertrieben diabolisch angelegt.

Visionen, Rückblenden, Emotionen, brenzlige Situationen und Geräusche werden durch die Live-Musik von Charlotte Wilde in eigene stimmungsvolle Klangwelten übersetzt. Rhythmisch stimmt jede Szene und ist deckungsgleich mit den komplexen Bewegungsabläufen der sympathischen Spieler (Pawek Chomczyk, Florian Feisel, Dagmar Sowa, Michalel Vogel). Bühnennebel und schlichte aber wirkungsvolle Beleuchtung stützen atmosphärisch das Geschehen.

Wenn auch das gesprochene Wort nicht immer überzeugt und manchmal gar aufdringlich erscheint, punktet die Inszenierung mit starken Bilderwelten und einer Symbiose aus bildender Kunst und Bühnenkunst. Eine fantastische Märchenreise und ein gelungenes Theaterabenteuer, welches die anwesenden Zuschauer mit gehörigem Beifall würdigen.

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Text: Philipp Wolpert

Bildrechte: Therese Stuber (Bild1) / “Fitz!“ (Bild 2)