Tanz mit den Augen – Labyrinth III

Kulturübergreifend, Zeitübergreifend, Sprachübergreifend … Übergriff auf den Zuschauer.

17 Jugendliche aus 13 verschiedenen Ländern. 17 verschiedene Geschichten erzählt in einer Sprache. Und das alles auf einer Bühne.

Naol-¦s Szene„Do we love people, as we do love ourself?“. Die Teilnehmer von Labyrinth III verstehen bereits worum es geht und der Zuschauer schlüpft in die Rolle des unwissenden Schülers. Was diese jungen Menschen erlebt haben, ist für die meisten kaum nachvollziehbar. Zu zweit aus ihrem Heimatland geflüchtet. Seit sieben Jahren die eigene Familie nicht mehr gesehen. Mehrere Monate in einem Flüchtlingslager verbracht. Dies sind nur einige der zahlreichen Erlebnisse die sie in zwei Stunden auf der Bühne visualisieren. Durch live Musik, selbst gebastelte Puppen und Masken, Tanz und Standbilder gestaltet sich jede Szene neu und aufregend. Stilles Staunen ist schlicht nicht möglich, die Rhythmik und Stimmung reißt einen mit und man kann sich diesem Gefühl der Euphorie kaum entziehen. Der Rahmen, der diese Collage an Szenen zusammenhält, ist das Café „Eibaba“. Hier treffen nach und nach Menschen und Kulturen aufeinander. Die Laienschauspieler beeindrucken von Anfang an mit ihrer Leidenschaft in Körper, Ausdruck und Sprache.

NashornBesonders Paprika (die stolze Besitzerin des Cafés) mit ihrer freundlichen, fürsorglichen, gar mütterlichen Art, die am liebsten allen Flüchtlingen helfen und sie bei sich aufnehmen will, wirkt authentisch und echt. Lediglich Melone, der Ehemann der temperamentvollen Italienischen Mama, hat Bedenken, was die Finanzierung betrifft.Trotzdem hat er immer wieder skurrile Ideen für ein Alleinstellungsmerkmal des Cafés. Nachdem der erste Versuch mit einem übergroßen Pappmaschee-Ei als Kellner missglückt, versucht er es erfolgreicher mit einem Musikfest zu dem er einen Star einlädt. Paprika und Melone können das Café weiter finanzieren.
„Kriege-Freude-Eierkuchen“ beschreibt bereits den Inhalt des Stückes. Die Flucht vor dem Krieg im eigenen Land, die Freude am Leben und die Arbeit in einem Eierkuchen Café. Die Schauspieler transportieren menschliche Wärme und Vertrautheit bis in die letzten Reihen.DSC_0420

Wenn man sich für zwei Stunden in eine andere Kultur entführen lassen möchte, sollte man sich dieses Stück auf keinen Fall entgehen lassen.

Text: Hannah Prendecky und Annika Stahn

 

Labyrinth III – Hintergrund

Bereits im dritten Jahr entwickeln und spielen jugendliche Flüchtlinge in Stuttgart unter Anleitung eine Musik-, Tanz- und Theaterproduktion im Rahmen des Projektes „Labyrinth“. Gegründet von Patrizia Birkenberg im Sommer 2012 während ihres Studiums an der Stuttgarter Musikhochschule, wurden das Projekt und seine Gründerin inzwischen mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, so beispielsweise einem Förderpreis beim Deutschen Hochschulwettbewerb und einem Sonderpreis für herausragendes studentisches Engagement beim Landeslehrpreis.
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In wöchentlichen Sitzungen lernen die jugendlichen Teilnehmer/innen unter anderem Grundlagen von Musikpädagogik, Tanz, Schauspiel und Figurentheater. Dabei entwickelt jede/r Jugendliche eine eigene Szene, die beispielsweise autobiographische Elemente beinhaltet oder an eigenen Interessen orientiert ist. Gemeinsam gestaltet die Theatergruppe eine Rahmenhandlung für diese einzelnen Szenen, so dass am Ende ein ganzes Stück entsteht.
Seit Oktober 2014 arbeiten die 17 Jugendlichen des dritten Labyrinth-Projektes an ihrem Stück „Kriege – Freude – Eierkuchen“, das am 25. April Premiere feierte. Neben den regelmäßigen Treffen zum Lernen und Proben standen dabei auch gemeinsame Ausfahrten und Theater- und Konzertbesuche, erlebnispädagogische Elemente und Einzelunterricht in Fächern wie Tanz, Gitarre oder Rap auf dem Programm.
Auch nach der Premiere geht das Projekt noch weiter: Bis zu den Sommerferien gibt es noch Treffen der Gruppe, außerdem bieten die Initiator/innen durch Kooperationen mit Stuttgarter Kulturinstitutionen den jungen Schauspieler/innen die Möglichkeit, sich weiterhin in Tanz- und Theatergruppen zu engagieren.

Text: Miri Watson
Bilder: Patrizia Birkenberg / Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart