Was bringt die Jugend ins Ballett?

Der Blick ins Publikum zeigt das Problem des Balletts: Die Zuschauer werden immer älter, junge Leute fehlen. Das Stuttgarter Ballett versucht gegenzusteuern. Doch trotz moderner Stücke und attraktiver Angebote ist es schwer, gegen den Trend anzukommen.

Riesige Boxen dröhnen ohrenbetäubend von der Bühne her. Stroboskop- und Discolicht. Auf dem Boden liegen verknickte Plastikbecher. Es wird in schnellen Rhythmen getanzt.

Das ist keine Disco. Auch kein Konzert. Das ist das Stuttgarter Ballett, beim Uni@staatstheater-Tag. Das Stück „Rausch“ setzt in Szene was junge Menschen auf Partys erleben, bis hin zum Morgen danach. Es ist damit modern, experimentell und unkonventionell. Es ist provokativ für alle, die glauben, Ballett müsse schön sein.

Das Publikum im Saal ist meist grauhaarig und besserverdienend. Die breite Masse kennt Ballett dagegen meist nur aus Filmen wie „Billy Elliot“ oder „Black Swan“.

Mit verschiedenen Maßnahmen versucht das Stuttgarter Ballett dennoch junge Zuschauer zu gewinnen. Es gibt ermäßigte Karten für Studenten, Schüler und Auszubildende. Gegen den Trend des älter werdenden Publikums kommt man dennoch nicht an.
Nun gibt es mit dem Uni@staatstheater-Tag eine spezielle Veranstaltung für Jüngere. Der Name deutet an, dass man eher an Studenten gedacht hat. Auszubildende, Schüler und FSJler sind zwar auch willkommen. Aber um bildungsferne junge Leute zu erreichen müsste man anders werben.

Themen junger Leute aufzugreifen ist ein wichtige Strategie: „Moderne Stücke sind inzwischen ein fester Bestandteil des Spielplans. Die klassischen Stücke gelten dagegen als Inbegriff des Balletts“, erklärt Franziska Klamm (Pressesprecherin, Stuttgarter Ballett). So sieht sie auch eine ausgewogene Mischung als Maßnahme, Jüngere anzulocken.
An sich bieten auch klassische Stücke junge Themen. Welche junge Frau kennt nicht die Situation, dass sich der Mann der Träume in die Falsche verliebt? – Das ist die Grundidee von „Schwanensee“.

a._memory_03Und auch umgekehrt gilt: Ein modernes Stück kann sehr ästhetisch sein. „Mit Tanz Skulpturen schaffen“, so beschreibt die Choreographin Katarzyna Kozielska ihr Stück „A. Memory“. Es könnte ebensogut das Motto für Ballett insgesamt sein. Sie setzt eine Art Netz ein, das den Kopf einer Tänzerin mit einem Ring an der Decke verbindet. Jede Bewegung der Tänzerin versetzt diese Skulptur in Schwingung. Der Fokus liegt auf der flüssigen, fließenden Bewegung. In der Schönheit des Balletts.

Es stellt sich die Frage, warum solche kreativen Ansätze bisher noch nicht sehr viele junge Leute anziehen.
Befragt man junge Menschen, warum sie noch nicht im Ballett waren, begründen die das meist mit einem Klischee. „Das ist doch total spießig“, „Ins Ballett gehen doch bloß reiche Schnösel“, „Das kann ich mir doch gar nicht leisten.“ Dabei ist das Stuttgarter Ballett bekannt dafür, viele moderne Stücke zu inszenieren. Und eine ermäßigte Karte ist billiger als in der Stuttgarter Innenstadt ins Kino zu gehen.
Manche wissen es aber auch selbst gar nicht so genau. „Ich bin bisher gar nicht auf die Idee gekommen. Aber spannend wäre es schon einmal“, meinte etwa eine Schülerin aus Tübingen. Manchmal fehlt also einfach nur der passende Anlass das mal auszuprobieren.

Es bleibt also schwierig gegen den Trend des älterwerdenden Publikums anzukämpfen. Schwierig, weil auch junge Menschen Ballett vor allem mit Klischees verbinden.

Text: Niklas Becker
Bilder: Stuttgarter Ballett