„Das kalte Herz“ – Ein gnadenloses Märchen

Es ist dunkel im Schwarzwald des Stuttgarter Staatstheaters: Kaum ein Licht fällt durch die undurchdringlichen , nebelumrankten Baumkronen auf dem Tannbühl. Kein Wunder, dass Peter Munk (Johann Jürgens) gerade dort das zauberhafte Glasmännchen erscheint , von dem er sich die Erfüllung seiner Wünsche erhofft. Tatsächlich gelangt er, der arme Köhler, zu Reichtum und gewinnt die Liebe seiner Lisbeth für sich.

„Das Kalte Herz“, ein Märchen des schwäbischen Dichters Wilhelm Hauff, zeigt die – vor allem zwischenmenschlichen – Folgen der Frühindustrialisierung im Schwarzwald, an denen auf eindrückliche Weise die nie an Aktualität einbüßenden menschlichen Themen charakterisiert werden: Liebe und Begierde. Unzufriedenheit und Sehnsucht. Tod und Lebensfreude.

Peter Munk ist arm dran – das zeigt schon die schäbige Kleidung und das mit Kohle bedeckte Gesicht. Doch auch die erste magische Verbesserung seiner Situation ist nur von kurzer Dauer: Schnell häufen sich die Schuldscheine und er droht seinen Glashandel zu verlieren. Der kurz vor dem Abgrund stehende Munk kann der Verführung des Holländer-Michels (Wolfgang Michalek) nicht mehr länger widerstehen und schließt einen grausamen Pakt: Er tauscht erneuten Reichtum gegen sein Herz – an dessen Stelle bleibt ihm nur ein kalter Stein in der Brust. So wird Peter Munk zum Unternehmer ohne jegliches Mitgefühl, der auch vor der Ausbeutung der Ärmsten nicht zurück schickt und irgendwann in einem Anfall von Wahnsinn (oder ist es die ultimative Kaltblütigkeit?) sogar seine Frau erschlägt. Nach dem Grund für seine Tat gefragt, kann er nur noch antworten: „Ich wollte mal was Schönes kaputt machen“.

kleinerDas Stück lebt von seiner beeindruckenden Bildhaftigkeit: Kostüme und Kulisse fügen sich zusammen mit der – wirklich grandiosen musikalischen Untermalung durch Miles Perkin- zu einem stimmungsvollen Erlebnis für die Sinne, dass den Zuschauer jedoch schon fast zu erschlagen droht. Darunter leidet vor allem der Inhalt des Märchens. Zu flach ist die Entwicklung der Hauptfiguren, zu oft gleiten tiefgründige Szenen in plakativ wirkende Komik ab. Die Kapitalismuskritik findet sich zwar durchaus – etwa in dem verzweifelten Auftritt der nun zur Bettlerin gewordenen Mutter des Kohlenmunks – wird aber zu oft von den heiteren Volkstänzen in den Hintergrund gedrängt. Trotz dieser unglaublich lauten, schreienden Inszenierung mit großem Einsatz der Schauspieler bleibt man als Zuschauer immer auf emotionaler Distanz. Es fragt sich, ob der Regisseur Armin Petras gerade das erreichen will – etwa indem das Publikum ganz direkt angesprochen wird, was zum Bruch der Bühnenillusion führt.

Auch die sprunghaft Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, filmhaftem Musical und klassischer Tragödie sowie – von Carolin Junghans jedoch hervorragend vorgetragenen – Erzählpassagen und munteren Dialogen reizen den Zuschauer nach einiger Zeit dazu, aufzuspringen und zu rufen „es ist genug“!

Vielleicht ist das ja die wahre Intention der Inszenierung? Trotz überraschend unspektakulär angehängtem Happy End entlässt das „Kalte Herz“ den Zuschauer eher ratlos in die Stuttgarter Nacht.

Text: Gina-Julia Westenberger & Georgi Golubev
Bilder: JU_Ostkreuz / Schauspiel Stutgart