„Arirang – Wo ist Nordkorea?“ – freie Szene im Depot

Wer bin ich? Wo liegen meine Wurzeln?
Eine Reise durch Krieg und Flucht aus einem Land, das gespalten ist.
Auf der Suche nach Identität durchleuchtet die in Deutschland aufgewachsene Chiristine Chu das Leben ihres aus Nordkorea stammenden Vaters – sowohl als Regisseurin als auch als Schauspielerin.

Eindrücklich schildert das Stück „Arirang – wo ist Nordkorea? “ die Zerrissenheit zwischen „wo komme ich her?“ und „wo gehöre ich hin?“ – und geht damit unter die Haut.
Eine Suche nach Antworten. Arirang – eine Hymne, das Symbol für Freude, Leid und Liebe. Bekannt in Nord- und Südkorea eint die Melodie das Land, und schafft eine Verbindung zwischen Vater und Tochter.

Ihr Vater – zwar steht er nicht bildlich im Rampenlicht, dennoch trägt er das ganze Stück als Hauptperson. Eingespielte Sprachaufnahmen schildern konkrete Situationen und Einschnitte aus seinem Leben, wie beispielsweise eine aus unmittelbarer Nähe erlebte Schießerei. Der koreanische Akzent sowie sein verletzlich wirkendes Lachen ermöglichen Zugang zu authentisch präsentierten Erlebnissen.

Um für einen Überblick zu sorgen, rollt Christine Chu eine Papierrolle quer über die Bühne. Das Besondere: diese Rolle dient als Zeitstrahl. Eingezeichnete Schlüsselbegriffe informieren über das damalige Zeitgeschehen. Vor allem die klägliche Bildung im Leben des Vaters wird hervorgehoben und die wichtigsten Daten in einen Zusammenhang gesetzt.

Begleitet durch Schlag- und Streichinstrumente, teils sanft und wohl klingend, teils kratzig und dröhnend, werden sowohl die guten, als auch die schlechten Abschnitte im Leben ihres Vaters zugänglich gemacht. Als sich beispielsweise eine Möglichkeit ergibt, in den USA zu studieren, wird dies klangmalerisch hervorgehoben.

Ihre Gefühle verarbeitet Chu auch in Bewegungen, die sich jeweils auf Musik und Geschichte beziehen. Ein Zucken – ein Ton. Minimalistische Bewegungen wie ein simples Kribbeln der Finger oder ein Augenzwinkern fordern den Zuschauer heraus, genau hinzuschauen. Ebenso verdeutlichen abrupte Bewegungen, die an einen hilflosen Käfer erinnern, was sich in ihr abspielt. Orientierungslosigkeit. Zweifel. Zerrissenheit.

Teilweise werden auch lustige Nuancen gesetzt: eine schwäbisch sprechende Südkoreanerin, Äußerungen des Vaters, beispielsweise darüber, wie sehr ihn Tomatensaft anekelt, lockern die Atmosphäre.

Schlüsselmotiv des Stückes sind die Augen. In Bewegungsabläufen werden sie in Szene gesetzt; im ersten Moment mit Hand und Haar verdeckt, im nächsten wieder weit aufgerissen. Denn Chu selbst definiert sich über ihre Augen:
„Ihr schaut auf meine Augen und denkt ‚die is’nich‘ von hier…‘ – Ich schau auf meine Augen, und denk‘: ‚gehören die zu mir? ‘ “.

Ein außergewöhnliches Stück für alle, die offen für neue Wege des Theaters sind. Für alle, die sich mit auf eine Zeitreise begeben und hinter die Kulissen eines turbulenten Erfahrungsberichtes blicken wollen. Anspruchsvoll, informativ und doch kreativ umgesetzt. Wo ist Nordkorea?

Text: Katharina Petry, Leah Wewoda