„Entspann dich!!!“

– so schnauzt der Yogalehrer einen seiner Schüler an. Nach der Figur „Verstorbener Seestern“ (man liegt auf dem Boden, alle fünfe von sich gestreckt) folgt die Atemübung „verschnupfter Maulwurf“. Das Publikum kringelt sich vor Lachen.

BigRepublic-3_web Entspannung auf Knopfdruck. Das muss man können, um in der Welt aus „Big Republic“ zurecht zu kommen. Das Theater Rampe bringt eine Dystopie auf die Bühne, die zugleich in vielerlei Hinsicht schon Gegenwart ist.

D-503 ist der Dr. Sheldon Cooper dieser Welt. Obwohl vollkommener Wissenschaftler, strauchelt er zunehmend in einer rationalisierten Welt. Hier ist kein Platz für individuelle Freiheit, aber dafür umso mehr für ad absurdum geführte Lifestyle-Maximen: Selbstoptimierung und ein Ernährungsstil von Berlin-Mitte-Muttis. Bei diesem Gesundheitsmarathon kann nicht jeder mithalten, so verwundert es auch nicht, dass nach dem Yoga erst mal zur Entstpannung geraucht wird.

Und das System funktioniert, alles ist durchgetaktet. Wenn jemand aus dem Takt kommt, scheißegal, einfach weitermachen wie bisher, ohne zu hinterfragen. Man übernimmt Verhaltensmuster und Einstellungen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob diese eigene oder von oben auferlegt sind. Dem Autor des Theaterstücks, Oliver Schmaering, ist gelungen, die schon 1920 geschriebene Buchgrundlage auf heute zu übertragen: So wird vor allem der Kapitalismus kritisiert. Die Glücksversprechen, die er in verschiedensten Werbe-Jingles gibt, wirken in dieser so sterilen Welt lächerlich, weil ohnehin unerfüllbar und realitätsfern.

BigRepublic-8_webEbenso realitätsfern sind die Ausbruchsgedanken, die er produziert. Im Stück rennt einer immer wieder gegen eine Wand aus Plastikplane, ohne je den Mut aufzubringen, sie tatsächlich zu durchbrechen. Wie ein Büroangestellter, der sich jeden Morgen vornimmt, endlich zu kündigen. Nur eben nicht heute. Feierabends sieht man dann Fernsehbilder von Kindern im Krieg. Man schüttelt den Kopf, schüttelt seine Nichts-Tun-Attitüde aber nicht ab. „Die Welt verändern, nur nicht sich selbst, ist als ob man versucht, seinen Spiegelbild die Haare zu kämmen“, so beschreibt das Stück diesen Zustand des Etwas-Verändern-Wollens, aber bloß selbst auf nichts verzichten.

BigRepublic-2Für diese Einsichten braucht man kein Theater. Das Stück zieht aber den Zuschauer, und die Gesellschaft in der er lebt, wie am Nasenring durch die Manege, was die Absurdität dieser Einstellung verdeutlicht und vielleicht doch ein wenig Handlungsmotivation im Zuschauer hervorruft.

Text: Laura Orlik und Niklas Becker
Bilder: Theater Rampe