Terror

Wie entscheidest du?“, lauten die Worte auf dem Programmheft des von Ferdinand von Schirach geschriebenen und von Axel Vornam inszenierten Stückes „Terror“. Dieses verspricht, ein spannendes Gerichtsdrama zu sein, welches am Ende den Zuschauer selbst auffordert, das Urteil zu fällen. Das lässt man uns im Verlauf des Stückes auf gar keinen Fall vergessen, da es an jeder gelegenen Stelle erwähnt wird. Der „Angeklagte“ welchem an diesem Abend auf der Bühne der Prozess gemacht wird, ist Lars Koch, ein Bundeswehr-Major, welcher ein entführtes Flugzeug abschoss und 164 Menschen an Bord tötete um zu verhindern, dass dieses Flugzeug in eine volle Allianz-Arena mit 70 000 Menschen stürzen würde. Ob er nun des 164-fachen Mordes verurteilt wird oder nicht, ist der Diskussionsstoff des Abends. Die Kulisse strahlt mit ihren vier Tischen und schlichtem Stil die Professionalität eines Gerichtssaals aus, weist aber auch mit einem an Gefängnisgittern erinnernden Gerüst subtil auf die drohenden Konsequenzen hin. Als etwas anderes anstatt der einen Ebene des Gerichtssaals wird die Bühne nie genutzt, da man sich, wie es zu Beginn des Stückes heißt, der im Gericht liegenden Theatralik bedienen möchte. Leider fällt durch diese, zugegeben realistische, Entscheidung das Stück statisch und unbewegt aus. Der größte Teil der Handlung spielt sich am Zeugenstand ab. Die Gesichter der Aussagenden werden an die Kulissenwand projiziert, um die Mimik der Schauspieler zur Geltung kommen zu lassen.

Dieses Mittel um die Emotionen der Figuren noch besser auf den Zuschauer wirken zu lassen, wird von den Darstellern jedoch kaum wahrgenommen. Am besten schafft es die Figur des Militäroffiziers und Zeugen Christian Lauterbach (verkörpert von Sebastian Kreutz), die Gefühlslage seiner Figur schlüssig, echt und sogar mit etwas angebrachtem Witz darzustellen. Die anderen Akteure wirken daneben eher mechanisch als menschlich und Gefühle weichen langen, rechtsphilosophischen Monologen, welche einzig und allein dazu gedacht sind, dem Zuschauer eine mögliche Meinung vorzulegen, anstatt die Handlung voranzutreiben. Eher vermitteln sie das Gefühl einer Vorlesung als das eines Schauspiels. Besonders die beiden Anwälte scheinen die Rolle der Prediger zu füllen, welches dem Stück in Sachen Spannung wenig zu Nutzen kommt. Diese Langatmigkeit gepaart mit einer Aufführungsdauer von 2 ¾ Stunden, verlangt von dem Zuschauer einiges an Sitzfleisch, welches am Ende, wenn die laut verkündete Zuschauerentscheidung kommt, kaum belohnt wird, da diese keinerlei Konsequenzen mit sich zieht. Die Thematik des Terrors und die Art wie sich ein Rechtsstaat im Angesicht dessen zu verhalten hat, ist wegen der Art und dem Aufbau des Stückes sehr einfach zu erkennen und es wird ausreichend Zeit an beiden Seiten der Diskussion verbracht, um Gesprächsstoff zu generieren, ist aber auch nicht tiefergreifender als das. Genau derselbe Stoff dürfte vielen schon aus dem Schulunterricht bekannt vorkommen. Neue Argumentationspunkte oder Blickwinkel auf das Thema bietet das Stück selten. In der Aussage von Lars Koch selbst finden sich Meinungen die etwas weiteren Stoff zur Anregung geben, wie zum Beispiel die Hilflosigkeit des Staates in einer Terrorsituation, welche dann doch noch dazu verleiten sich nach dem Stück weiter damit auseinanderzusetzen.

Der gewagte Versuch Gericht und Theater erfolgreich zusammenzuführen scheitert hauptsächlich daran, dramatische Elemente, das Fiktive und das innenwohnende Abstrakte am Theater mit dem logischen Realismus einer Gerichtsverhandlung zu vereinbaren. So wie sich Elemente des Theaters wie Komik oder Exposition für den Zuschauer in einer Gerichtsverhandlung fehl am Platz und überzogen anfühlen, so zeigen sich auch die Elemente des Gerichts, zum Beispiel die Unbeweglichkeit der Darsteller und die Einseitigkeit der Bühne als schlichter Raum, im Theater als fremd und unangenehm. Die Ansätze sind da, aber „Terror“ schafft nicht ganz den Sprung von Gerichtsverhandlung zu Theaterstück und bleibt trotz einigen guten Ansätzen in einer unangenehmen Mischung der beiden, halbwegs zwischen Schuld und Unschuld liegen.

Text: Jan Schneider

Bildrechte: Theater Heilbronn