COFFEE & CIGARETTES – Episode 4: Isabel Varell

Isabel Varell ist vielen als Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin bekannt. Aktuell spielt sie in „Diese Nacht – oder nie!“ in der Komödie im Marquardt. Für TheaterNetz hat sie sich am 9. März nach der Probe Zeit genommen um mit Amina Gall über das Theater, das Schreiben und die Wünsche, die man sich noch erfüllen möchte zu sprechen.

Amina Gall: Was uns von TheaterNetz natürlich am meisten interessiert, ist dein aktuelles Projekt: Ab dem 16. März kann man dich in der Rolle der Charlotte in „Diese Nacht – oder nie“ erleben. Was erwartet die Zuschauer, wenn sich der Vorhang hebt?

Isabel Varell: Erst mal wollte ich sagen, ich finde das toll, dass so ein Jugendformat sich dafür interessiert, denn das ist für diese Häuser auch so wichtig, die nächste Generation zu erreichen, wenn ich das eingangs kurz mal eben sagen darf. Deswegen freue ich mich über so ein Interesse, dass es nicht immer nur diese üblichen Blätter sind.
Was erwartet das Publikum? Erst mal eine Komödie, was ich aber schön finde ist, dass es nicht so eine klassische Komödie im Boulevard-Stil ist, wie man das immer noch an diesen Häusern hat, wo man diese typischen alten Strukturen auf der Bühne erkennt: Die Männer sind die Fremdgeher, die Frauen sind diejenigen, die mit der Pfanne in der Tür stehen, also im Grunde genommen diese eher alten Strukturen, wie eigentlich die Generation unserer Eltern und Großeltern gelebt haben, wobei meine Eltern gemeint sind, denn die Generation deiner Eltern ist ja in meinem Alter und bei uns ist ja schon angekommen, dass die Gesellschaft einfach anders tickt – Gott sei Dank! Durch Feministinnen wie Alice Schwarzer stehen die Frauen heute endlich anders da, wir sind zwar noch nicht an unserem Ziel angekommen, aber Basis dieser Komödie „Diese Nacht – Oder nie!“ ist zum Beispiel, dass eben auch eine Frau heutzutage dafür kämpfen kann, was sie will und wovon sie träumt. Und Charlotte, die ich spiele, liebt diesen Mann, der seit fünf Jahren ihr bester Kumpel ist und sie hat sich vorgenommen ihm das zu sagen. Das ist ja schon mal gesellschaftlich anders als das früher war. Das Publikum erwartet ein Stück wirklich aus der heutigen Zeit mit dem Spirit der heutigen Zeit, dass es eben nichts besonderes mehr ist, dass eine Frau in meinem Alter – ich bin 55 und Charlotte, die ich spiele ist auch 55 – die liebt einen Mann, der jünger ist als sie, auch das ist ja heute Gott sei Dank nicht so außergewöhnliches mehr. Normal war früher immer: Die reiferen Typen, wenn die Kohle haben, haben die auch junge Frauen. Das ist allerdings immer noch so. Ich sehe das gerade in der Öffentlichkeit, in Interviews ist es eine deutlich stärker gestellte Frage bei einer Frau wie Jutta Spiedel zum Beispiel, die ja jahrelang einen wesentlich jüngeren Partner hatte, oder Caroline Beil, die jetzt als Schwangere durch die Presse geht mit 50, die einen 16 Jahre jüngeren Partner hat, da wird ganz häufig gefragt, wie das funktioniert. Wenn das umgekehrt ist, wird das weniger gefragt.

AG:Absolut

IV: Ja, also das erwartet die Zuschauer, dass es von der Thematik her richtig im Hier und Jetzt ist. Und es erwartet die Zuschauer hoffentlich ein Abend, an dem sie lachen können, aber es hat auch Tiefgang. Es geht um Freundschaften, es geht um die Aufrichtigkeit. Wie ehrlich ist wirklich jeder von uns? Denn Charlotte war ja auch nicht immer ehrlich. Auch wenn die Basis ihrer Lüge ein sich-nicht-trauen ist. Sie hat sich vorher einfach nicht getraut etwas zu sagen, sie hat gehofft, dass er es irgendwann von alleine merkt – was ja auch wieder eine Message ist, dass man mit Ehrlichkeit eigentlich weiter kommt. Wir Frauen denken ja oft in Beziehungen „Der muss doch gerade merken, dass es mir nicht gut geht.“ Dabei wäre es doch so einfach zu sagen: „Du, mir geht’s grad nicht gut, ich brauche dich jetzt.“ Aber, wenn man empfindlich ist, oder prämenstrual (lacht) dann meint man immer „Der muss das doch jetzt merken, von alleine!“
Ich hoffe, dass die Zuschauer ein lustiges Stück erwartet mit Tiefgang, zum Nachdenken und einfach auch die Freude zwei Schauspielern zuzusehen, die sehr aufgehen in ihren Rollen. Wir müssen viel ins Detail gehen und haben auch in Ulf Dietrich einen Regisseur, der mit uns wirklich an jedem Detail arbeitet und fragt „Warum ist das jetzt so?“ und „Was fühlst du jetzt gerade?“ oder „Ich hab gesehen, du hast es nicht gefühlt“. Es ist Feinarbeit, was ich von Boulevard-Häusern auch in dieser Form nicht kenne und was unheimlich Spaß macht. Und wir verstehen uns auch super gut, Heiko Ruprecht und ich. Das ist auch so dringend erforderlich bei so einem Stück, dass man sich versteht und es ist Gott sei Dank der Fall.

AG: Jetzt hast du schon ein bisschen von deiner Rolle gesprochen. Gibt es ein paar Dinge – mal abgesehen davon, dass ihr gleichalt seid – die euch verbinden, oder Dinge, in denen du dich in ihr wiederfindest?

IV: Charlotte und mich verbinden einige Dinge. Charlotte ist zum Beispiel keine Tussi. Sie ist eine Unternehmerin, sie hat ihren Blumenladen, sie ist Floristin, sie steht ihre Frau im Leben, sie hat keine Zeit zu posen. Sie hat die Finger in der Erde. Und sie macht sich auch besonders hübsch – in ihrem Rahmen – für diesen Abend. Er merkt auch mit der Zeit, dass irgendwas anders ist, aber sie verkörpert das nicht so. Sie schafft es nicht. Sie versucht es, aber sie schafft nicht so weiblich zu posen. Diese Register, die die Frauen oft haben, die hat Charlotte nicht so drauf und das verbindet mich auch privat mit ihr. Auch Isabel ist keine Tussi (Amina stimmt zu, beide lachen) die mit ihren Reizen so spielt. Isabel und Charlotte wissen beide oft nicht wo ihre Reize sind und spielen sie dementsprechend auch nicht aus.

AG: Als du das Stück zum ersten mal gelesen hast, gab es etwas, das du an dieser Rolle besonders reizvoll fandst? Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

IV: Manfred Langner hat mir eines Tages dieses Stück geschickt und hat gesagt er möchte das gerne mit mir machen. Nun ist ja Charlotte eine, die als Hobby gerne singt und das heißt er brauchte eine Schauspielerin, die auch singen kann und sich das auch traut und es darf dann halt auch nicht die Musicalstimme sein und darüber hab ich mich schon mal sehr gefreut, dass man das verbinden kann. Was mir beim lesen sofort aufgefallen ist – ich hab es auf Französisch gelesen, es ist ja im Ursprung eine französische Komödie – da war sofort zu sehen, dass es ein modernes Stück ist, was so ein bisschen diese Tabus bricht und herausgeht aus diesen alten üblichen Mustern, die auf der Boulevardbühne immer gerne bedient werden und mich hat auch sehr gereizt, dass es ein Zweipersonenstück ist. Das ist wirklich eine Herausforderung, selbst wenn du zu dritt bist in einem Stück, ist es wesentlich entspannter. Man geht auf dem Zahnfleisch, du hast keine Minute dich auszuruhen, keine Sekunde, du musst immer die Spannung halten, es ist wirklich Wahnsinn. Das hat mich auch gereizt, diese Herausforderung, ein komplettes Stück zu stemmen, mit jemandem zusammen. Ich mochte sofort auch diese ganze Thematik, das Bühnenbild, dass es ein Blumenladen ist, das alles – ich habe mich sofort verliebt in dieses Stück, in Charlotte hab ich mich verliebt, in ihre Nöte, in ihre Ängste. Im Ursprung ist sie eine sehr unsichere Frau. In Frankreich wurde sie zum Beispiel von einer übergewichtige Frau gespielt, das ist auch ziemlich mutig. Wir Frauen sind ja viel kritischer mit uns. Ein Mann, der eine dicke Plauze hat findet sich immer noch toll und wir Frauen gucken dauernd auf unsere Problemstellen. Das sind die Unsicherheiten, die wir Frauen halt haben. Ich bin nun nicht übergewichtig, aber ich finde es toll, dass Manfred Langner, der Intendant und auch Ulf Dietrich der Regisseur als Männer erkennen, dass es egal ist wie eine Frau aussieht, auch wenn sie attraktiv ist – ich bin ja schon jemand, der mit seiner Hülle relativ viel Glück gehabt hat – aber trotzdem, das hat überhaupt nichts mit Attraktivität zu tun – du bist ja auch eine wunderschöne Frau, aber du wirst sicherlich auch deine Unsicherheiten haben, du weißt sofort was ich meine.

AG: Ja, ja, natürlich.

IV: Es hat eben damit nichts zu tun. Man kann nicht sagen, „Wieso, die muss doch nicht unsicher sein.“ Ja, eben doch klar, natürlich! Wir sehen ja oft unsere eigene Schönheit im Spiegel nicht.

AG: Super interessant. Ich freu mich schon sehr auf das Stück. Noch steckst du mitten in der Probenphase. Wie unterscheidet sich da bei dir ein ‚normaler’ Tag jetzt von deinem Tagesablauf an den Spieltagen?

IV: Das sind natürlich Abläufe, die sind unterschiedlich wie Tag und Nacht. Im Moment proben wir so 5-6 Stunden am Tag. Das ist sehr intensiv, sehr anstrengend. Man ist abends so platt, eben weil es ein Zweipersonenstück ist und weil es vor allem ein Stück ist, was hochkocht. Es ist kein stilles Stück. Es ist ganzer Körpereinsatz von uns beiden und da ist man abends total platt. Ich hänge hier abends nur noch vor dem Fernseher und esse was. Ich hab quasi im Moment den Rhythmus eines Seniorenheims (beide lachen) – 10 Uhr Licht aus. Und das wird dann wenn wir ans Spielen gehen wieder in meinen bevorzugten Lebensrhythmus zurückgehen, das heißt: lange schlafen, dann mach ich meinen Sport, ich bin Läufer und dann werde ich hier durch den Wald laufen, über die Berge. Ich finde Stuttgart auch ganz toll. Und dann findet das Leben halt eher wieder abends statt. Ich werde was dieses Stück betrifft wirklich sehr auf mich aufpassen und werde ruhige Tage machen und mich sehr ausruhen, weil dieses Stück unglaublich Kräfte zehrt, um dann bei Stimme und auch bei Kräften zu sein. Und dann freu ich mich auf mein Weinchen danach (lacht)

AG: Kannst du das vielleicht auch mit dem Serienalltag vergleichen? Viele kennen dich natürlich noch aus „Rose Rosen“ und das war ja auch ein sehr getakteter, aber auch sehr stressiger Alltag, könnte ich mir vorstellen, ihr habt ja viel innerhalb einer Woche abgedreht.

IV: Also bei „Rote Rosen“ war es extrem. Da war ich ja als Protagonistin, da gehörten 14-Stunden Drehtage zur Tagesordnung. Das war wesentlich anstrengender muss ich sagen. Jetzt muss ich die Konzentration bündeln auf zwei Stunden Bühne live, was auch sehr intensiv ist, aber nicht zu vergleichen mit einem Leben als Hauptrolle in einer Telenovela. Das war wirklich extrem, die extremste Arbeit meines Lebens. Morgens um 5 Uhr aufstehen, um 7 Uhr 30 Maske und um 8 Uhr 30 musste man sich schon in den Betten knutschend wälzen (beide lachen). Also, das ist schon ein Unterschied. Trotzdem, auch während einer Theaterzeit muss man total diszipliniert leben, vor allen Dingen wenn man ein Stück selbst trägt. Wir sind zwei Personen, wir beide tragen dieses Stück jede Sekunde, jede Minute und da muss man total streng leben. Es ist auch ein Stück, wo nicht mal eben jemand einspringen kann. Egal wie’s uns geht, wir müssen raus. Ich möchte Spielfreude haben und das genießen während wir auf der Bühne stehen, weil das ist mein Liebstes eigentlich, wenn man so live auf der Bühne steht, dafür opfert man schon einiges.

AG: Du hast vorhin schon ein bisschen was zu deiner Stimme und zum Musical gesagt, du bist ja auch als Sängerin bekannt und insofern – zusammen mit dem Schauspiel –verbindet das Musical zumindest zwei deiner vielen Stärken. Was macht das Musical für dich persönlich reizvoll?

IV: Es gibt ja ganz unterschiedliche Musicals. Ich war jetzt gerade zum Beispiel vor ein paar Tagen mit Ulf und Heiko in Mary Poppins. Wir waren alle drei so geflasht, dass wir gesagt haben, da müsste man eigentlich sofort ein zweites Mal reingehen, so toll fand ich das. Es ist so schön! Das sind jetzt halt diese großen Musicalproduktionen, wo ich definitiv die Falsche wäre, weil das sehr darauf geschrieben und gemacht ist, auf diese Menschen, die wirklich diese perfekte Musicalausbildung haben und dementsprechend sind auch die Stimmen. Ich hab Musical gespielt, aber das waren immer Stücke, wo auch eher eine Rockstimme oder eine moderne Popstimme gefragt war und eben nicht diese perfekt ausgebildete Musicalstimme, wo ja auch das Gefühl einfach verloren geht, das muss man ganz klar sagen, das ist dann sehr technisch. Was nicht bedeutet, dass man von diesen Musicals nicht tief berührt sein kann, auch vom Gesang. Aber es ist trotzdem sehr technisch. Diese Technik wollte ich auch nie drauf haben, sonst hätte ich in der Plattenindustrie nicht Karriere machen können. Es ist auch eigenartigerweise in der Plattenindustrie nicht erwünscht. Musicaldarsteller zählen dort nicht, sonst hätten die alle einen Plattenvertrag. Helene Fischer ist da eine Ausnahme, weil sie zwar diese Ausbildung genossen hat, sie hat sich aber zurückschrauben können auf einen gefühlvollen Gesang. Da musst du dich irgendwann entscheiden, da musst du dich trennen vom Musical um wieder dieses Gefühl zu bekommen, was du brauchst um im Studio am Mikrophon ein Gefühl rüberzubringen. Für mich gibt es wenige Musicals, in denen ich eine Rolle hätte spielen können. Das ist für mich aber auch ok. Das Musical kam eigentlich durch Zufall in mein Leben und ich hab die Möglichkeit gehabt tolle Rollen zu spielen. Was aber für mich Priorität hat, ist als Solistin zu arbeiten, meine Konzerte zu machen. Ich hab eine musikalische Lesung mit meinem autobiografischen Buch „Mittlere Reife“, was sich ja zum Bestseller entwickelt hat glücklicherweise, was für mich immer noch großartig ist und was ich auch weitermachen werde, damit werde ich auch auf Tour gehen, so als abendfüllendes Programm, das ich für mich selbst gestalte und was ich erschaffen habe, sowohl die Liedertexte, die ich selber schreibe – ich schreib meine Songs selbst, also die Texte – und das ist eigentlich so meine Priorität im Leben, so dieses Selbsterschaffene auf die Bühne zu bringen. Und dann möchte ich mir einfach erlauben hier und da Theater zu spielen, so wie ich das jetzt hier in Stuttgart mache.

AG: Da hast du gerade die perfekte Überleitung für mich gebracht. Wie du eben sagst, du machst Musik, du schreibst deine Texte selber, du hast vor einem Jahr dein erstes Buch rausgebracht und machst eben auch Schauspiel. Was hat dich dazu gebracht, dich so vielfältig auszudrücken in deinem Leben?

IV: Also eigentlich aus der Not heraus, was die Songs betrifft. Ich war eines Tages nicht mehr zufrieden mit dem was Texter für mich geschrieben haben. Es ging immer um Liebe und immer um das gleiche, dann waren auch Liedertexter manchmal empfindlich in ihren Reaktionen und ich hab mich aus einer Not heraus selbst mal hingesetzt und hab gedacht „Das kann doch nicht so schwer sein, versuch das doch einfach mal“ und dann hat mein damaliger Komponist und Produzent gesagt „Boah, schreib weiter! Mach das! Schreib weiter!“ Und jetzt ist es für mich gar nicht mehr denkbar, dass jemand anderes für mich Texte schreiben würde. Ich sperre mich nicht dagegen, es gibt einfach Songs bei denen ist das so als hätte ich es selber geschrieben, aber es ist in den letzten Jahren nicht vorgekommen, ich habe alles nur noch selber geschrieben. Mit dem Buch war es letztendlich auch so, dass ich immer wieder Angebote von Verlagen hatte, vor allen Dingen damals nach meiner Scheidung von Drafi Deutscher. Da gab’s die ersten Angebote: „Ja, Frau Varell, wir würden gerne ein Buch mit Ihnen machen, Sie müssen das gar nicht selber schreiben. Wir machen das für Sie, es gibt Ghostwriter.“ Das war für mich nie eine Option. Ich hätte das nie gemacht. Damals sowieso nicht, weil ich vor der Veröffentlichung meines Buches nie über die Ehe mit Drafi und über meine Beweggründe, die Trennung, die Scheidung gesprochen habe. Der Skandal hat mir gereicht. Und jetzt war wieder ein Angebot im Raum. Wieder mit dieser Idee „Sie müssen es gar nicht selber schreiben“. Da hab ich mir wieder gedacht „Versuch’s doch mal. Das kann doch gar nicht so schwer sein.“ Und dann hab ich mich hingesetzt und habe 10 Din A4 Seiten geschrieben, getippt. Dann hat das eine Literaturagentin über eine Empfehlung bekommen und dann wollte sie mich treffen und kennenlernen. Sie hat mir gesagt, sie liest ja wirklich nur und es hat sie seit Jahren nichts so sehr berührt wie meine 10 Seiten. Das hat mich umgehauen. Ich hab dann gedacht „OK, vielleicht kannst du wirklich schreiben, auch ein Buch.“ Ich hab mich hingesetzt und konnte nicht mehr aufhören zu schreiben. Das war für mich wie eine Therapie. Ich hab auch sehr viel geweint beim schreiben, ich hab auch sehr viel gelacht. Ich hab dann so viel geschrieben, dass es für das erste Buch zu viel war. Ich hab sogar Kapitel entfernt und geparkt und ich werde auch weiter schreiben. Es wird irgendwann auch ein zweites Buch geben. Wann weiß ich noch nicht genau, aber ich hab da für mich etwas entdeckt, was ich auch nicht mehr missen möchte. Und dass das sich dann so seinen Weg gebahnt hat und dann auch die großen Verlage dieses Buch haben wollten, nach dem sie’s gelesen hatten, war für mich ein großes Kompliment. Irgendwie hat mich das Leben immer so wieder überrascht. Ich hab so viele Momente in meinem Leben gehabt wo ich dachte „Oh Gott, was passiert nächstes Jahr? Wie lang wird man dich wollen?“ Dieser Beruf ist ja ein Auf und Ab. Wenn ich gewusst hätte, was es alles noch für mich in petto hält und mit was das Leben mich noch oder ich mich selbst noch überraschen würde, hätte ich mir viele Sorgen gar nicht gemacht.

AG: Du sagst es gab viele Zufälle oder, dass man immer wieder an dich herangetreten ist, aber gab es generell Dinge, die dich unterstützt haben, so vielseitig zu sein, oder vielleicht auch Dinge, die du überwinden musstest, Hindernisse, die du erst mal beseitigen musstest um das schaffen zu können?

IV: Es war eigentlich eher so, dass man mir von der Vielseitigkeit, für die ich mich immer entschieden habe, auch was das Schauspiel betrifft, Moderation und Gesang, lange bevor das Buch kam und so, abgeraten hat. Es gab eher Fernsehredakteure, die mir gesagt haben „Du solltest dich entscheiden. Diese Vielseitigkeit ist eher ein Handycap in Deutschland.“ Ich hab mich davon aber nicht abbringen lassen. Ich hatte sogar einen Manager, der mir das auch gesagt hat: „Du musst dich jetzt entscheiden.“ Und dann hab ich drüber nachgedacht und hab mir gedacht „Nö.“ Also, wenn ich zurückblicke, hat diese Vielseitigkeit eigentlich immer meinen Kalender gefüllt. Allerdings werde ich nie erfahren, was passiert wäre, wenn ich mich nur auf den Gesang konzentriert hätte – und ich hätte das Schauspiel weggelassen, Moderation weggelassen. Weil es ist ja in der Tat so, dass in Deutschland so ein Weg schwierig ist. Sie sagen dann „Was ist sie denn jetzt nun?“ Und das ist auch ein ‚Problem’, das mich ständig begleitet, dass Leute sagen – auch wenn ich auf der Kleinkunstbühne, oder in den Theatern bin – „Ja, Isabel Varell, was macht sie denn heute Abend? Singt sie? Liest sie? Spielt sie?“ Aber ich kann damit leben. Es gibt so viele Vorteile, dass ich mir sage, es ist müßig darüber nachzudenken, wohin mein Weg vielleicht geführt hätte, wenn ich alles auf eine Karte gesetzt hätte. Hab ich nun mal nicht und ich bereue es nicht.

AG: Bei deinen Liedertexten, aber auch wenn man mal so ein bisschen in dein Buch reinguckt und generell auch bei deinem Spiel merkt man, dass du tief in dir drin – ich meine das als großes Kompliment – eigentlich eine Geschichtenerzählerin bist. Ich weiß nicht ob du dem zustimmen würdest…

IV: Ja, das ist auch so.

AG: Mich würde interessieren – gerade da du dich so vielseitig ausdrückst – was es für dich für Unterschiede gibt, bei diesem Erzählen.

IV: Ich glaube das wichtige ist, dass man eben nicht zu sehr nachdenkt und plant. Also meine Liedertexte liegen manchmal auf der Straße. Manchmal hab ich ‘ne Blockade und dann geh ich einfach raus und gehe durch’s Leben, durch den Tag und dann springt mich was an. Oft liegen die Ideen wirklich auf dem Bürgersteig rum. Ich nehme mir da nichts vor, ich plane nichts und plane auch nicht eine Geschichte zu schreiben. Ich hab zwar manchmal so geplant ­– ich hab zum Beispiel einen Freund, Pater Benjamin, das ist ein katholischer Priester, den hab ich kennengelernt als er noch in der Ausbildung war. Er saß neben mir im Flugzeug, hatte diese katholische Kutte an, oder wie nennt man das, diesen Talar…? Also er hatte dieses typische schwarze Gewand an, mit dem weißen Krägelchen hier und ich saß neben ihm im Flugzeug. Ich hab gedacht „Ach du meine Güte, so ein Kirchentyp neben dir“ und auf einmal gibt er mir seine Hand und sagt „Ich bin übrigens Bruder Valentin, wir fliegen ja jetzt zusammen nach Barcelona“ Und dann hab ich gedacht „Oh nein, ich will jetzt nicht reden. Ich will einfach nur fliegen.“ Und ich hab ein bisschen Flugangst und wollte bloß kein Gespräch. Aber dann – es war ein ganz junger Typ damals – wurde das so interessant. Als wir zwei Stunden später in Barcelona gelandet sind hat uns eine Art Freundschaft verbunden. Dann haben wir E-Mails ausgetauscht und Telefonnummern und wir sind heute noch in Verbindung. Uns verbindet eine ganz besondere Freundschaft. Und das ist dafür ein Beispiel: Ich hatte immer geplant mal das was ich da in dieser Verbindung erlebt habe in ein Lied zu packen, aber ich hab mir gedacht „Das ist peinlich, man kann das doch gar nicht in ein Lied verpacken – ‚Ich hab da einen Priester kennengelernt’“ Mittlerweile ist er ja Priester, er hat in Rom den Segen vom Papst bekommen und ich glaube eines Tages wird er Papst sein, weil er so überzeugt davon ist. Ein junger, schöner Mann, er war Anfang 20 als wir uns kennengelernt haben. Das fand ich schon enorm. Das hat mich so bewegt, ja, und eines Tages – und zwar Jahre später – war ich im Urlaub und sitze am Pool und dann ist dieser Text in einer Viertelstunde, also in so einer kurzen Zeit, aus meinem Kugelschreiber förmlich von alleine rausgefallen. Und er war nicht peinlich. Also ich empfinde ihn überhaupt nicht als peinlich. Aber Jahre bin ich schwanger gegangen mit dieser Idee und dann ist es einfach passiert, manchmal ist der Moment einfach da. Deswegen glaube ich, um deine Frage zu beantworten, dass man nichts planen kann. Du musst vielleicht mal wirklich drei Tage stur aus dem Fenster glotzen und warten und dann kommt irgendwas. Es geht auch oft schief, dass man sich sagt „So und heute will ich einen Text schreiben.“ Dann macht man sich ‘nen Kaffee und noch ‘nen Kaffee und dann geht’s schief und du hast abends immer noch ein leeres Blatt vor deiner Nase und denkst dir „Scheiße, ich kann es nicht mehr!“ Und das sind auch immer diese Zweifel, die man nie verliert. Nach jedem Text denke ich: „Das war wohl mein letzter. Ich glaub ich kann das alles eigentlich gar nicht. Alle Texte die bis jetzt entstanden sind, das war alles nur Zufall.“ (beide lachen)

AG: Gibt’s denn noch Bereiche, die du noch erkunden wollen würdest, nachdem du dich jetzt ans Bücherschreiben vorgewagt hast?

IV: Ja, also es gibt natürlich immer so Träume im Kopf, die auch ganz weggehen von meinem Beruf. Ich glaub das ist auch so ein Reifeprozess. Natürlich machen wir etwas Schönes in unserem Beruf. Ob das jetzt Singen ist, Schauspielern, ein Buch schreiben, aber es ist nicht alles wirklich wichtig und ich merke, dass es irgendwie in mir einen Raum gibt, der ist noch leer. Ich hab ja immer etwas Ehrenamtliches gemacht. In den letzten Jahren nicht intensiv, die Aids-Hilfe hier und da bei einer Veranstaltung zu unterstützen ist ja kein Kunststück. Ich hab zum Beispiel vor Jahren in einem Hospiz drei Jahre Sterbebegleitung gemacht. Ich weiß, dass das in mir ist, etwas anderes auch noch zu machen, da ist ein Raum in mir, der gefüllt werden muss, mit etwas sinnvollem. Ich weiß, dass da noch irgendetwas ist, was ich erkunden möchte bevor einem das Alter eines Tages eine Grenze setzt. Ich kann das aber noch nicht benennen, was es ist, aber irgendwas muss ich noch suchen und finden. Und das hat überhaupt nichts mehr mit meinem Beruf zu tun; aber auch vielleicht mit dem Gedanken darüber eines Tages vielleicht zu schreiben.
Beim Schreiben hab ich ja erst mal ohne Schere geschrieben über sehr persönliches Dinge, die man eigentlich nur engsten Freunden erzählt. Und ich hab immer gedacht „Naja, wenn du das eines Tages mal veröffentlichst, dann kannst du es ja noch immer kürzen und filtern.“ Und das hab ich eben nicht gemacht. Irgendwann kam der Punkt wo ich gesagt hab „Nö. Was ist denn der wirkliche Sinn im Leben?“ Der wirkliche Sinn in unserem Leben kann nur sein, dass wir uns alles erzählen. Wir können nur an anderen Menschen wachsen. Ich bin nicht an meinen Eltern gewachsen. Ich bin an meinen Freunden gewachsen, weil ich denen zugeguckt hab, ich durfte in deren Leben hineinschauen. Sie haben mir ihre Seele geöffnet, sie haben mir alles erzählt, ich konnte das staunend beobachten, ich konnte aber auch vielleicht kritisieren und sagen „oh, so würd ich’s nicht machen“ aber in erster Linie bestaunen und bewundern wie ein Mensch in gewissen Lebenssituationen reagiert. Und ich konnte ja nur wachsen indem Menschen mir vertrauensvoll einen Einblick gewährt haben in ihr Innerstes. Ich zwinge ja niemanden mein Buch zu kaufen. Das sind ja dann nur Leute die es lesen und die wirkliches Interesse haben. Ich hab so unglaublich berührende E-Mails bekommen und Reaktionen. Bei Lesungen sitzen da manchmal Menschen, die weinen. Ich war da auch manchmal so perplex – und dann hat mir einmal jemand gesagt „Ich glaube, dass einige Menschen weinen bei dir, weil du das so erzählst. Das erzählt man ja normalerweise eben nur den engsten Freunden“ und manche haben noch nicht mal so einen Freund dem sie’s erzählen können. Wir sind halt einfach viele aus einem Holz geschnitzt. Viele in meinem Alter – ich bin ja kein Einzelfall, was in meiner Kindheit so passiert ist – haben das erlebt und sind mit Gewalt groß geworden, mit Schlägen, mit strenger Erziehung, viel zu strenger Erziehung. Und das ist doch eigentlich tröstend, wenn man sieht, ich bin nicht die einzige, die das erlebt hat und ich kann auch drüber reden ohne, dass es peinlich ist. Deswegen sage ich mir, ist das ein richtiger Schritt gewesen und im weiteren Verlauf in meinem Leben möchte ich Weiteres erleben über das man dann genau so offen schreiben kann. Aber erst mal muss man es selbst erleben, im wahrsten Sinne des Wortes, bevor man dann drüber schreibt. Um deine Frage zu beantworten, ich glaube es kommt in meinem Leben noch irgendetwas, was überhaupt nicht mit meinem Beruf zu tun hat, was ich einfach noch erfüllen will, also diesen Raum im wahrsten Sinne des Wortes erfüllen, der da noch auf Inhalt wartet.

AG: Was steht bei dir als nächstes an, was sind deine nächsten Projekte? Du bist jetzt eine Zeit in Stuttgart, dann geht’s mit dem selben Stück nach Heilbronn und dann?

IV: Also erst mal den Frühling in Stuttgart genießen und dann spielen wir im Sommer in Heilbronn. Dieses Stück ist ja eine deutsche Erstaufführung und wir haben es auch nach Deutschland versetzt. Es gibt ja viele Stücke aus Frankreich, die dann auch auf der Bühne in Frankreich spielen, aber es spielt in Stuttgart. Wer weiß, vielleicht wird das Stück auch irgendwann mal noch woanders gespielt werden. Ich finde das Stück toll, ich hab es total lieb und würde mir wünschen, dass man das auch wieder spielen kann. Und dann werde ich erst mal ab Mitte Mai mit der Ausnahme Heilbronn mir eine Auszeit gewähren. Ich hab die letzten Jahre extrem viel gearbeitet und ich werde mich auf jeden Fall jetzt zurückziehen um wieder Zeit zu haben Lieder zu schreiben. Die Musik ist sehr in den Hintergrund gerückt in den letzten ein, zwei Jahren, unteranderem habe ich ja das Buch geschrieben, das waren ungefähr acht Monate. Das Buch jährt sich jetzt bald und das hat mich total seit der Veröffentlichung in Bewegung gehalten. Jetzt möchte ich, dass die Musik wieder in den Vordergrund rückt und dazu muss ich ja erst mal schreiben, also werde ich mich jetzt zurückziehen und Liedertexte schreiben.

AG: Ich würde gern nochmal kurz auf deine Vielseitigkeit zurückkommen. Du hast ja vorhin gesagt, es ist nicht so üblich, dass man das macht, aber ich denke, dass du trotzdem gerade für junge Menschen damit ein Vorbild sein kannst, weil das heute häufiger wird aber auch immer wichtiger, glaube ich, eben genau so eine Vielseitigkeit ­– sei es jetzt künstlerisch oder auch in anderen Gebieten – auszuleben. Was ist das Wichtigste, wenn man so vielseitig arbeiten möchte, deiner Meinung nach?

IV: Auf jeden Fall unbedingt auf sein Herz hören und sich was zutrauen, mutig sein und sich nicht abbringen lassen von irgendwelchen Kritikern, die am Wegesrande stehen und einem das ausreden wollen, so nach dem Motto „Konzentrier dich auf eine Sache“. Das stimmt, was du sagst, das ist für deine Generation ein ganz wichtiger Punkt mehrere Pläne im Kopf zu haben. In dieser Zeit, wo alles nur befristet ist, gilt, je mehr du anbieten kannst an Ressourcen, desto größer ist die Chance, dass du auch immer beschäftigt bist und da kann ich nur sagen: auf das eigene Herz hören, an sich glauben und sich das nicht ausreden lassen.

AG: Jetzt noch was ganz anderes. Wenn man dich oder deinen Namen und das Stichwort ‚News’ googlet, dann findet man relativ schnell zum Beispiel Nachrichten über deine Hochzeit letztes Jahr. Wie ist es für dich so privat unter Beobachtung zu stehen? Du hast zwar, wie du sagst, in deinem Buch sehr persönlich geschrieben, auch sehr persönliches veröffentlicht, aber es ist natürlich ein Unterschied ob man das selbst mit jemandem teilt, oder ob es quasi geteilt wird und gleichzeitig auch bewertet wird. Ich kann mir vorstellen, dass es häufig Dinge gibt, die man eher für sich zurück hält, oder?

IV: Ja, das stimmt. Es war schon ein Schritt und bei der Buchveröffentlichung hab ich gedacht „Oh Gott, wie wird das jetzt sein, wenn jetzt jemand mich auf mein Buch anspricht und so vieles weiß?“ Da hat mein bester Freund Hape Kerkeling, der mir ja auch ein wunderschönes Vorwort geschenkt hat, gesagt „Du wirst dich daran gewöhnen, ein halbes Jahr später wird das für dich ganz normal sein.“ Und da hatte er auch recht. Was die Gegenwart betrifft, auch meine Hochzeit mit Pit, das wollten wir allerdings wirklich nicht mit der Yellow Press teilen, in dem wir dann einen Fotografen mitbringen. Solche Dinge kann man im Nachhinein erzählen, das haben wir ja auch gemacht. Wir wollen ja nicht damit hinterm Berg halten, dass wir verheiratet sind, aber wir wollten halt nicht, dass das vorher rauskommt, dass da womöglich ein Fotograf vorm Standesamt steht. Wir wollten einfach den Moment für uns haben. Wir wurden ja auch immer wieder in Interviews gefragt „Na? Heiratet ihr mal?“ Aber es ist halt so, dass wir es geplant hatten im Nachhinein zu erzählen und dann im Nachhinein auch kein Geheimnis daraus zu machen, aber wir wollten ausschließen, dass uns dieser Moment gestört wird durch jemanden, der das erfährt.

AG: Gibt es denn deiner Meinung nach so eine Art „Idealmodus der Zusammenarbeit“ zwischen der Presse und den Menschen über die die Presse berichtet, also ein ideales gegenseitiges Begegnen?

IV: Ein ideales Vorgehen ist im Leben grundsätzlich immer etwas, was man Respekt nennt. Aber das gibt’s nun mal nicht immer. Ich hab da so viel Blödes erlebt, dass man immer wieder auf’s neue erfühlen muss wie es jetzt das Gegenüber meint. Aber oft sind ja auch die Journalistinnen und Journalisten unschuldig, weil sie ja dann wiederum noch einen Chef über sich haben, der dann auch nochmal drin rumkritzelt. Manchmal finde ich es nur ein bisschen zu lieblos gemacht. Mit einem Mausklick sieht man, wie ein Name richtig geschrieben wird. Also ich kann’s manchmal nicht begreifen, warum Leute sich dann so wenig Mühe geben und den Namen falsch schreiben. Man muss auch heute wirklich überall drüberlesen, weil dann doch auch Dinge falsch verstanden werden und so. Aber ich hab mich da auch auf die Metaebene begeben und sage mir einfach, es gibt da überall Volldeppen. Es gibt ja auf der Seite der Künstler auch ‘ne Menge Volldeppen. Also ihr sitzt ja auch – wenn ich das mal als ‚ihr’ überhaupt sagen darf – auch manchmal vor ein paar Vollhorsten. Es gibt ja auch ganz blöde Künstler, die arrogant sind und einfach blöd. Es gibt überall Idioten. Nur ich finde halt diese ganze Yellow Press ein bisschen komisch, also wenn man sich im Supermarkt diese Titelseiten anguckt, was da alles draufsteht, also auch was die Königshäuser aushalten müssen, das ist ja Wahnsinn. Das ist ja schrecklich, dass die das alles dürfen, gezielt einen Eindruck erwecken: „Tödliche Krankheit!“ und dann liest du im Kleingedruckten es geht nur um ‘nen Schnupfen. Ich weiß gar nicht warum das erlaubt ist.

AG: Es war super interessant bisher. Wir sind fast am Ende mit den normalen Fragen und dann kommt…

IV: Jetzt kommen die unnormalen Fragen

AG: Die Schnellfragerunde. Aber zum Ende des eigentlichen Gesprächs möchte ich dich noch fragen, wenn man – so sehe ich das in dir – seinen Lebenstraum quasi schon erfüllt hat, oder viele seiner Träume bereits erfüllt hat, hat man dann wie man so schön sagt ‚alles erreicht’ oder ergeben sich da immer neue Träume für einen, immer wieder etwas wo man gerne hin möchte?

IV: Also es gibt diesen wunderschönen Satz „Der Weg ist das Ziel“. Und kein Satz kann das eigentlich besser formulieren. Man hat nie alles erreicht, weil das wahre Bestreben ja sein muss, dass man nicht beruflich alles erreicht, sondern dass man als Mensch alles erreicht. Und man hat nie alles erreicht, man ist nie fertig. Es gibt noch so vieles, was ich nicht weiß, deswegen bin ich immer noch im Lernprozess und auch viele Träume sind noch offen.

AG: Das ist doch schön, finde ich. Jetzt kommt die Schnellfragerunde. Da musst du entweder kurz einen Satz beenden, oder eine kurze Entweder-Oder-Frage beantworten.

IV: So wie „Kaffee oder Tee“

AG: Genau. Damit fängt es direkt an. Also: Kaffee oder Tee?

IV: Beides.

AG: Das Theater ist für mich…

IV: erfüllend und beglückend. Einen Film live auf der Bühne vorzuspielen. Das ist wunderschön.

AG: Eine Rolle die ich unbedingt mal spielen möchte…

IV: Vor 20 Jahren hätte ich Sally Bowles gesagt, die hätte ich gerne mal gespielt. Dazu kam es nie und jetzt bin ich zu alt für diese Rolle. Was ich unheimlich gerne mal machen würde wäre ein großer Liebesfilm-Kinostreifen. Und das schöne ist ja, dass mit dem Älterwerden der Gesellschaft auch erfreulicherweise in den großen Movies im Fernsehen immer mehr Frauen, die auch schon reifer sind, in solche Protagonisten Rollen besetzt werden, wie eine Jutta Speidel. Und das finde ich natürlich eine tolle Entwicklung, dass das auch für meine Generation möglich ist. „Rote Rosen“ war eigentlich wie fünf Kinofilme drehen. Sowas als abendfüllenden Film wäre schön.

AG: Was würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

IV: Oh, also diese Frage wurde mir schon eine Million mal gestellt und jedes Mal stehe ich da wie der Ochs vorm Berg. Ohne einen Firmennamen zu nennen: meine Kapselkaffeemaschine, die vom George Clooney (beide lachen), Pit und das Handy, damit ich mit meinen Freunden telefonieren kann.

AG: Was macht für dich einen perfekten Sonntag aus?

IV: Kino und Pizza

AG: Gute Wahl! Ein Buch, das jeder mal gelesen haben sollte?

IV: Meins (lacht). Nein, „Die unendliche Geschichte“ zum Beispiel. Das ist ein Buch da darf man bloß nicht davon ausgehen, das wäre für Kinder. Es ist auch viel schöner als die Filme – Hollywood hat daraus zwei Filme gemacht, damit ist der Sinn verloren gegangen. Der Sinn war ja eigentlich das Ganze.

AG: Was würdest du tun wenn du 24 Stunden eine Zeitmaschine zur Verfügung hättest?

IV: Ich möchte nicht in die Vergangenheit. Wir Frauen haben so lange kämpfen müssen dazustehen wo wir jetzt stehen, dass man sich eine andere Epoche als Frau nicht unbedingt wünschen könnte. Also würde ich die Zeitmaschine lieber nach vorne drehen, aber ob man das will…? (lacht) Ach doch, optimistisch wie ich bin – alles wird gut – spule ich mich mal 50 Jahre nach vorne, da gibt’s keine Terroristen mehr, die IS gibt es nicht mehr, die Menschen besinnen sich wieder auf das, was wirklich wichtig ist.

AG: Schön. Wenn du könntest, mit wem würdest du ein Duett singen?

IV: Das Größte wäre gewesen natürlich Elvis Presley, aber lebt noch: Cat Stevens.

AG: Ok!

IV: Udo Lindenberg

AG: Das sind also doch noch einige, die auf der Liste stehen. Ein Zitat, das dich schon lange begleitet, oder so „Words to live by“?

IV: Ein Zitat?

AG: Ja, Zitat, oder ein Spruch oder so etwas.

IG: Also einer von mir selbst erfunden ist „Was du bist muss aus dir selbst entstehen.“ Das heißt, dass man nicht darauf warten soll, dass jemand anderes etwas für einen bewegt. Du kannst nur alles aus dir selbst heraus entstehen lassen, nicht auf etwas warten. Wenn du einen Schritt gehst, verändert sich sofort die Welt um dich rum. Mutig sein.

AG: Jetzt sind wir am Ende und zum Schluss…

IV: Das hast du schon mal gesagt

AG: Ja, jetzt sind wir wirklich am Ende

IV: Aber…? (beide lachen)

AG: Eine Sache noch, am Schluss von unseren Interviews wir eine fortlaufende Geschichte erzählt. Das heißt der Interviewte – in diesem Fall du – bekommt immer den letzten Satz und darf dann weitererzählen. Und der letzte Satz, den wir von Fabian Egli bekommen haben, war „Wer hätte gedacht, dass die Entscheidung durch ein simples Lied hätte fallen können.“

IV: Also das ist eine Geschichte, die ihr einfach immer weiter schreibt?

AG: Genau. Aber im Idealfall so, dass derjenige der weiterschreibt nur den vorherigen Satz kennt.

IV: „Wer hätte gedacht, dass die Entscheidung durch ein simples Lied hätte fallen können.“ Wie viele Sätze habe ich denn jetzt zur Verfügung?

AG: Einen.

IV: Ach, nur einen?

AG: Zwei mit ‘nem Semikolon.

IV: „Wer hätte gedacht, dass die Entscheidung durch ein simples Lied hätte fallen können.“ Ich muss kurz nachdenken. „In Wahrheit brauchte es aber mehr als ein Lied um zu erkennen, dass der Weg ein anderer sein wird.“

AG: Das ist gut. Das ist besser als das, was ich mir überlegt hab.

IV: Der arme Nächste tut mir leid!

AG: Dann sind wir jetzt wirklich am Ende. Vielen lieben Dank für das schöne Gespräch.

 

„Diese Nacht – oder nie!“ ist noch bis zum 14. Mai in der Komödie im Marquardt in Stuttgart (Karten) und vom 20. Juli bis zum 5. August im Theater Heilbronn (Karten) zu sehen.

 

Fotos: Titelbild via pixelbay.com, Promofoto via Schauspielbühnen Stuttgart, Interviewfoto von Amina Gall