Schampus aus Langstielvasen

Diese Nacht – oder nie! am 18.3.17 in der Komödie im Marquardt

Wie ehrlich sind wir? Eine Frage, die jeder nur für sich beantworten kann und die man kaum im Mittelpunkt einer modernen Komödie vermuten würde. Charlotte und Valentin sind seit 5 Jahren beste Freunde. Ehrlich waren sie dennoch nie völlig zueinander. Charlotte will reinen Tisch machen und Valentin ihr langgehütetes Geheimnis beichten: Sie ist in ihn verliebt. Kulisse der Aussprache soll ihr Blumenladen sein. Das bleibt jedoch nicht die einzige Offenbarung des Abends, denn Valentin ist nicht ganz der, der er zu sein scheint…

Isabel Varell und Heiko Ruprecht stemmen dieses Zweipersonenstück gemeinsam und halten die Spannung über den ganzen Abend hinweg. Es ist ihnen möglich den Raum die gesamte Zeit für sich einzunehmen. Das liegt nicht zuletzt an der Harmonie zwischen den beiden, die das Stück über zu spüren ist. Ihre Interaktion ist punktgenau, wodurch die dramatische Ironie, die das Stück vor allem im ersten Akt auszeichnet, durch die körperliche Darstellung unterstrichen wird.

Aber nicht nur im Zusammenspiel, auch einzeln überzeugen die Darsteller. Heiko Ruprecht gelingt es Valentins Ahnungslosigkeit zu Beginn des Stückes so humorvoll darzustellen, dass es ein Genuss ist. Im Verlauf des Stücks vermittelt er glaubhaft seine Selbstreflektion. Valentin ist bemüht, das Publikum nie mehr wissen zu lassen, als nötig, wodurch man ihn meist durch die Augen Charlottes sieht – abgesehen von seinen Monologen, in denen er versucht ganz ehrlich zu sein und das Publikum Einblicke in seine Persönlichkeit bekommt.

Isabel Varell verleiht ihrer Charlotte mehr Nuancen, als man bei einer Rolle in solch einer leichten Komödie erwartenwürde. Zu Beginn ähnelt sie einem verliebten Teenager, ohne dadurch die Glaubwürdigkeit der Rolle zu gefährden. Im Verlauf des Stücks wird Charlotte dann als starke Frau mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Schwächen und Zweifeln dargestellt. Vor allem ihre Monologe ermöglichen ihr eine freundschaftliche Verbindung zum Publikum aufzubauen.

Der Humor des Stückes liegt zwar häufig in Doppeldeutigkeiten, aber er ist nicht darauf reduziert. Das wahre Vermögen des Stückes sind der Wortwitz und die spritzigen Dialoge, die einen zeitweise an die amerikanische Screwball Comedy der 30er und 40er Jahre erinnern.

Zwar ist „Diese Nacht – oder nie!“ kein Musical, Musik und Gesang gibt es aber dennoch. Die Lieder stellen keinen Teil der Kommunikation unter den Figuren dar, wie man das vom Musical her kennt. Es ist vielmehr so, dass Charlotte gerne mal spontan anfängt zu singen um Valentin gewissermaßen durch die Blume zu sagen, was ihr auf dem Herzen liegt – sei es durch Schlager von Zarah Leander oder Songs von den Toten Hosen. Musikalisch ist somit alles dabei und da die Musikauswahl sich bekannter Lieder bedient, fiel es dem einen oder anderen im Publikum mitunter schwer, nicht laut mitzusingen. Vorgetragen werden die Songs von Isabel Varell wie erwartet sehr gut, technisch versiert und mit Gefühl. Das musikalische Highlight fand allerdings nach dem Stück statt: Nach dem Schlussapplaus sangen die beiden Darsteller noch im Duett.

Wie ehrlich können wir sein? Eine Frage, die im Mittelpunkt der Konflikte des Stückes steht. Aber nicht nur die Ehrlichkeit, auch Liebe, Moral und Freundschaft bilden das Zentrum des Stücks. So komisch es oberflächlich erscheinen mag, es steckt mehr in diesem Stück, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Dazu muss man allerdings an der Oberfläche der Doppeldeutigkeiten und Situationskomik kratzen und die unterschwelligen Aussagen auf sich wirken lassen. Aber auch, wer das nicht tun will, wird trotzdem einen vergnüglichen Theaterabend haben, auch wenn er dadurch einiges verpasst.

„Diese Nacht – oder nie!“ ist noch bis zum 14. Mai in der Komödie im Marquardt in Stuttgart (Karten) und vom 20. Juli bis zum 5. August im Theater Heilbronn (Karten) zu sehen.

Text: Amina Gall
Fotos: Jürgen Frahm