Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus

Eine Winterreise//19. Januar 2018//Hessisches Staatsballett // Forum Ludwigsburg

Ein einsamer Wanderer macht Rast in einem Hotel. Dort trifft er auf ungewöhnliche Gäste; die Rastlosigkeit, den Wahnsinn, die Rebellion – seine personifizierten Emotionen. Als Schauplatz für „Eine Winterreise“ des Hessischen Staatsballetts, zu Gast im Forum am Schlosspark Ludwigsburg, dient ein mystisches Hotel, das die besten Jahre hinter sich hat. Die musikalische Vorlage liefern die „Wanderlieder“ des romantischen Dichters Wilhelm Müller, vertont von Franz Schubert. In dieser Inszenierung ist die Musik von Hans Zender zu hören, unter der musikalischen Leitung von Benjamin Schneider und einem intensiven Orchester vor Ort.

Ein Tänzer und ein Opernsänger verkörpern die Rolle des Wanderers, seine Figur ist auf beide Darsteller aufgeteilt – ein hervorragender Einfall, um dem Wanderer in diesem Tanzstück eine Stimme zu verleihen, seine Stimme (David Zimmer). Ramon John als Wanderer ist als markante Tänzerpersönlichkeit ideal besetzt, seine Gewandheit und Feinfühligkeit in der Ausführung bleibt im Gedächtnis. Wäre da noch der Portier, der ihn in purpurroter Uniform in Empfang nimmt. Die Figur, die immer wiederkehrt, um Gäste in Empfang zu nehmen – grandios verkörpert von Masayoshi Katori, er versteht sich auf Witz und tänzerische Präzision.


Hervorzuheben ist das Ensemble, im Programmheft übrigens aufgeführt als „Visionen“, was der tänzerischen Leistung mehr als gerecht wird. Energisch heben sie vom Tanzboden ab, und energisch sinken sie in den Tanzboden ein, bei zahlreichen Ausschnitten der Choreographie, die auf dem Boden stattfinden.

Eine überaus gelungene Komposition aus Tanz und Gesang, die Tänzer der Compagnie ebenso wie der Sänger wissen einander zu ergänzen, spartenübergreifend zu agieren.
Hinter der Symbiose aus Tanz, Gesang, Theater und Musik stehen der Choreograph Tim Plegge, der Komponist Hans Zender und die Dramaturgin Esther Dreesen-Schaback. Zur einschüchternden Atmosphäre tragen hohe Fenster, unzählige Türen bei – die fantastische Arbeit des Bühnenbildners Sebastian Hannak und der Kostümbildnerin Judith Adam bettet das Bühnengeschehen hervorragend ein. Stimmung kommt auf, gleich einer herbstlichen Szenerie, man sieht und riecht förmlich das letzte Herbstlaub, wie es vor der Eingangspforte vom Wind aufgewirbled wird – ein düsterer, geheimnisvoller Sog strahlt bis in die Zuschauerränge, und zieht in den Bann.

Text: Leonie Schwenk und Leah Wewoda
Bildrechte: Regina Brocke