Das kunstseidene Mädchen

Wiederaufnahme // „Das kunstseidene Mädchen“ // 08.11.2018 // BOXX Heilbronn

Ans Theater will sie, so viel steht fest. Mit ihren zarten 18 Jahren macht sich Doris auf in die große Stadt, auf die Suche nach dem „Glanz“. Was das ist?

Na, ein Glanz, das ist, ganz vorne mit dabei zu sein, auf der Bühne, vor der Kamera. Die Vorlage für das Einpersonenstück liefert Irmgard Keuns Roman „Das kunstseidene Mädchen“, unter der Regie von Jens Kerbel am Theater Heilbronn.

Einen Raum irgendwo zwischen Großstadt und Mädchenzimmer bildet die Kulisse ab, wo genau, das bleibt offen. Der erste Auftritt führt Giulia Weis als Doris durch einen Rahmen, der mit transparenten Stoffbahnen bespannt ist. Zuerst kommt ihr Fuß zum Vorschein, nach und nach das Bein und der restliche Körper. Was inhaltlich hinter diesem Bild steht? Ein Mädchen, das sich Gehör verschaffen muss, weil es sonst unsichtbar bleibt, vielleicht.

Von Beginn an hängt Lametta von der Decke herab, der „Glanz“ in Material verpackt. Bespielt wird dieser aber erst gegen Ende des Stücks: Doris ist dann schon von der Statistin in den Chor avanciert, am Theater. Nun stolziert sie erhobenen Hauptes durch den Glanzvorhang, vor und wieder zurück.

Leichtfertig geht dieses Mädchen mit sich um, das setzt Giulia Weis in einer naiven Spielweise und überzeugten Unbildung dieser Doris um. Die Schauspielerin zeichnet sie mehr als naiv: Diese Doris schiebt alle Gedanken ans Morgen zur Seite, sie schläft sich so durch, um nicht auf der Straße zu stehen. Dass sie sich und ihren Körper also verkauft, als Hure arbeitet, will sie sich partout nicht eingestehen. Es sei schon in Ordnung, um irgendwo unterzukommen, auch entsprechende Gegenleistungen zu erbringen.

Zu Ende des rund 100-minütigen Stücks steht zwar eine im Vergleich zum Beginn betrübte Doris auf der Bühne, der Weg dorthin bleibt aber eher unerklärt. Hunger und Kälte kommen zwar kurz zur Sprache, die wirklichen Ausmaße des Elends, das sie am eigenen Leib erfahren muss, verstummen aber leider.  Sichtlich erleichtert ist Schauspielerin Giulia Weis nach diesem Theaterabend, der ihr als einziger Schauspielerin auf der Bühne einiges abverlangt. Von Tanzsequenzen über Gesangseinlagen zum einen körperlich sowohl als auch das emotionale Tohuwabohu der Figur sind ihr hoch anzurechnen. Ob sich der Traum nach dem „Glanz“ ausgeträumt hat?

Text: Leah Wewoda
Bild: Theater Heilbronn